Radikale Ehrlichkeit – Ein Weg in die Verbundenheit
Ein Grundbedürfnis des Menschen ist tiefe Verbundenheit zu anderen Menschen. Diese tiefe Verbundenheit kann nur durch radikale Ehrlichkeit entstehen. Doch die meisten Menschen versuchen es genau andersherum: Sie glauben durch Tarnung, Verborgenheit, Rollenspiel, Rückzug, Maskierung und sogar Lügen akzeptiert zu werden und dazugehören zu dürfen. Wir leben dann, als wenn unser Körper und Geist nichts damit zu tun hätten, dass in der Wirtschaft, den Medien, der Politik, der Werbung, unserer zwischenmenschlichen Kommunikation, unseren Beziehungen und der Beziehung zu uns selbst so viel Unehrlichkeit herrscht!
Das ist vielleicht die größte Lüge! Millionen Menschen leiden an psychosomatischen Symptomen durch die Seele, die unentwegt versucht etwas verständlich zu machen, das mit aufrichtiger Ehrlichkeit sich selbst gegenüber zu tun hat. Das Außen wird zu unserem Spiegel: Als Folge der Unehrlichkeit wächst Jahr für Jahr eine der größten Volkskrankheiten: Angst und Unsicherheit!
Der Grund für all dies ist naheliegend: Da gibt es innere Anteile in uns, die ständig vollkommen berechtigte Fragen haben:
- Worauf kann ich bauen und setzen?
- Worauf kann ich mich verlassen?
- Woran kann ich festhalten?
- Was darf ich glauben?
- Was gibt mir Halt?
- Was ist sicher?
Wir alle sind umgeben von Menschen, die ihre Rollen spielen. Sie verstecken sich hinter ihren Masken, um irgendwie zu funktionieren und dadurch Anerkennung und Zuneigung zu erhalten. In den meisten Fällen gehören wir selbst zu ihnen.
Durch Unehrlichkeit trennen wir uns ab
In uns allen gibt es innere Anteile, die sich isoliert, einsam und unsicher fühlen. Statt sie zu zeigen und über sie in Verbindung zu gehen, versuchen wir unser Dilemma durch Arbeit, Konsum, Unterhaltung, Genussmittel etc. zu kompensieren. Doch gelingen kann das keinem, denn unser aller Wunsch ist die Verbindung, Zugehörigkeit und Verbundenheit zueinander. Wir haben gelernt uns zu schützen und das Leben zu kontrollieren, sodass wir hinter unserer Mauer nicht mehr angreifbar sind. Doch leider werden wir hinter ihr auch immer einsamer. Was uns schützen sollte, trennt uns mehr und mehr.
Um diesen Trennungsschmerz auszuhalten fliehen wir in Vorstellungswelten, wie unser Leben, unsere Partnerschaft und alles andere sein sollte. Dabei merken oft gar nicht, dass das Leben an sich vollkommen ehrlich ist. Das Leben ist aufrichtig, es mutet sich uns, mit all seinem Schicksal, zu. Statt uns demütig der Sinnhaftigkeit des Lebens hinzugeben, stellen wir lieber egoistisch motivierte Bedingungen und Erwartungen an uns selbst und andere. Werden diese nicht erfüllt, folgt Widerstand oder Depression. Es scheint, als wollten wir nur die helle und glanzvolle Seite von uns, den anderen und des ganzen Lebens sehen – ohne selbst dabei aufrichtige Ehrlichkeit zu praktizieren. Wir säen den Schatten und wollen nur Licht ernten.
Doch im Grunde suchen wir alle die wahre Liebe, die uns genau so annimmt und akzeptiert wie wir sind. Und zwar mit all dem Licht und Schatten, die uns ausmachen. Da wir diese Liebe aber nur in der Beziehung zu uns selbst oder in der Spiegelung dessen – nämlich der Beziehung zu anderen finden können – müssen wir lernen, uns zu enttarnen und uns völlig ehrlich zu zeigen, um gesehen zu werden.
Wer wahrhaft geliebt werden will, der muss sich zunächst gänzlich zeigen!
Die alles entscheidenden Kernfragen zur Lösung des kollektiven Desasters der Entzweiung und Trennung zwischen den Menschen lautet:
- Wie können wir uns trauen uns so zu zeigen, wie wir wirklich sind, um als das gesehen zu werden, was wir sind?
- Wie können wir aufrichtig und ehrlich sein?
- Wie können wir uns aufrichten?
Diese konsequente Ehrlichkeit ist der Beginn der Veränderung und die Grundvoraussetzung für Nähe und Verbundenheit. Sicher gibt es auch Anteile in uns, die Angst vor der Ehrlichkeit haben. Sie wissen genau, dass es bedeutet, einem anderen Menschen Unangenehmes sagen zu müssen und vielleicht sogar Schmerzen zu verursachen. Die aufrichtige Ehrlichkeit riskiert auch mal Ablehnung und Zurückweisung, doch in Wahrheit ist sie die einzig faire und authentische Form der Beziehung. Jedes Rollenspiel, jede Tarnung der eigenen Wahrheit, jede Zustimmung ohne Herzenshintergrund ist eine sanfte Form der Lüge. Alles, was ich tue, um geliebt, angenommen oder verstanden zu werden, das nicht echt und authentisch gemeint ist, basiert auf einer Lüge. Wenn wir etwas sagen, tun oder unterlassen, das nicht unserer tiefsten Wahrheit und Motivation entspricht, betrügen und belügen wir uns und alle Betroffenen.
Andere zu belügen ist unschön, doch sich selbst zu belügen reine Dummheit!
Manchmal rechtfertigen wir diese Art und Weise mit dem Argument einer Notlüge. Doch wer ist eigentlich in der Not? Sicher nur der, der sich nicht traut sich zuzumuten. Mit unserer Unehrlichkeit wollen wir harmonisieren, motivieren und manipulieren, doch keiner dieser Gründe hält vor dem Leben stand. Das Leben strebt nach Wahrheit, deshalb haben Lügen ja auch recht kurze Beine. Sie sind so kurz, dass sie uns selbst und gegenseitig unglücklich machen. „Ich wollte ja nicht weh tun“, sagen wir, wenn wir jemandem die Wahrheit vorenthalten. Doch glauben wir wirklich, dass dies eine Lösung ist? Unser Körper spricht eine andere Sprache. Er zieht sich in solchen Momenten zusammen und wird verkrampft. Ein unangenehmes Gefühl der Schuld überkommt uns und bezeugt, dass der größte Schmerz gerade in uns selbst tobt. Es ist der Schmerz der Trennung, die wir selbst durch unsere Unaufrichtigkeit initiieren.
Die Verwandlung kann nicht von anderen erwartet werden – sie muss in jedem einzelnen von uns stattfinden.
Zweifelsohne basiert jede Tarnung, jede Rolle und Maske auf der uns innewohnenden Angst vor Ablehnung und Zurückweisung. Doch was wir übersehen, ist, dass wir durch den Versuch unsere Verletzlichkeit zu verstecken, etwas in uns selbst verleugnen. Wir weisen unsere wahren Gefühle, Gedanken und Empfindungen zurück, sperren sie tief in einen Keller und erwarten dann von anderen Menschen, dass sie uns lieben, so wie wir sind. Doch wie sollten diese Teile von uns je geliebt werden, wenn wir es selbst nicht tun?
Es ist die Angst vor unseren eigenen Schatten: der Verletzlichkeit, der Trauer, der Schuld, der Scham, der Unsicherheit und der Lust und Gier, die uns vom großen Geschenk der Verbundenheit trennt. Wir alle tragen diese Schatten in uns. In ihnen finden wir die Brücke zueinander, die uns zeigt, dass wir alle die gleichen Ängste tragen. Unsere Schatten sind es, die uns verbinden und die aufrichtige Ehrlichkeit beschreibt den Weg sie ans Licht zu heben.
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Dein Christian
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